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Die Petzolds als Besitzer des Nirkendorfer Gasthofes

Nirkendorf liegt unmittelbar an der ehemaligen Bahnstrecke Altenburg – Narsdorf zwischen den Stationen Ehrenhain und Boderitz. Nirkendorf wurde bereits 1181/1214 erwähnt als Nirodichowe. 1353 erhielt das Bergerkloster einen Zins von 1 ßo (Schock) übereignet.1445 bestand Nirkendorf aus 6 Höfen, darunter sicherlich auch das Anspannergut. Das Gut liegt etwas abseits vom Dorfkern unmittelbar neben dem Viadukt der Bahnlinie. Es war wohl das größte Bauerngut im Ort. Leider steht von diesem Anspanngut und ehemaligem Gasthof in Nirkendorf nur noch das Wohnhaus. Steffen Krosse war der erste nachweisbare Besitzer des Bauergutes. Er war Bauer in Nirkendorf mit einem Lehen derer „vom Ende“ zu Fuchshain. 1538 zahlte er 1 ßo. Michaeliszins an das „Amt Aldenburgk“ wegen des Bergerklosters. Wer vordem den Besitz hatte, ist unbekannt. Sein Sohn Burckhard Krosse, Bauer und Anspanner zu Nirkendorf heirate 1539 (oder schon vielleicht früher) die Tochter „der alden Jacoff Tanefeldin von Tettau“. Am Donnerstag nach Reminiscere (13. März) übernahm er vom Vater und den Geschwistern die Hälfte vom Hof für 60 ßo. und 10 ßo. Der Vater sollte das Gut noch zur Hälfte gebrauchen sein Leben lang. Am Donnerstag nach Invocavit (14. März) 1549 übernahm er den Hof ganz. Die beiden kleinen Schwestern Walpa und Anna sollten zur Hochzeit 3 Tische ausgerichtet bekommen. 1557 ist der Hof 70 ßo. wert. Er hatte drei Kühe, ein dreijähriges Kalb und zwei halbjährige Schweine. Zwei Dienstboten arbeiteten auf dem Hof. Zu Invocavit (12. Februar) 1559 erfolgte der Erbkauf des Gutes durch den ältesten Sohn Melchior Krosse für 700 fl. (Florentiner Gulden), an denen er selbst keinen Anteil hat. Pferde und Wagen sind 100 fl. wert. Der nächste Besitzer war Veit Krosse, der Sohn von Melchior Krosse. Wann er das Gut übernommen hatte, ist bisher unbekannt. Kurios erscheint auch, dass im Seelenregister der Superintendentur von 1580 weder ein Melchior Krosse noch ein Veit Krosse im Ort Nirkendorf zu finden sind. Aber für Fuchshain (Ehrenhain) meldet der Pfarrer „ Melchior Krosse, der Schenk, sein Weib, ein Kind, ein Hausknecht, drei Maide = 7 Personen“ fürs Seelenregister. Es ist anzunehmen das beide identisch sind, geklärt konnte dies nicht werden. Aus den Gerichtsbuch des Rittergutes Ehrenhain geht hervor: „Am 29. Oktober 1590 verkauft Veit Krosse zu Nirkendorf, der schon am 4. September 1587 ein Stück Land an Burkhart Dittrich verkaufet hat, von wegen itziger Trauung seiner Tochter und dadurch bedingter Schuldenlast ein Stück Arth Acker an seinen Gefatter Melchior Krosse womit er sich aus seiner Bedrängnis retten möge“. Im Kirchenbuch von Lohma an der Leina findet man den Eintrag „Quasi modo geneti (3. April) 1597 erfolgte in Lohma an der Leina die Proclamation von Andreas Petzold, Sohn des Simon Petzold in Buscha mit Sibylle Krosse, Tochter des Veit Krossen in Nerkendorf. Die Ehe wurde wohl in Fuchshain ( Ehrenhain ) geschlossen.( Die Kirchenbücher zur Trauung beginnen erst 1670) Am 28. Februar 1597 erschienen vor den Endischen Gerichten zu Fuchshain „Andreas pezellt“ und „Veit krossen“ mit ihren jeweiligen Beiständen und hatten einen Erbkauf geschlossen. Andreas Petzold übernahm das Pferdefrongut von seinen Schwiegervater und von dieser Zeit an war dies Gut im Petzoldschen Familienbesitz bis zum 11.Oktober 1865. Am 13. Juli 1633 übernahm der Sohn Andreas (später Andreas sen. genannt) das Gut. Als Andreas am 22. Januar 1670 stirbt, ist der Churerbe, ebenfalls namens Andreas, erst 12 Jahre alt. In der Gerichtsakte des Rittergutes Fuchshain findet man: „.......und nachdem obgemelten Andreas Petzold sen. den 22, January 1670 mit den Tode abgegangen ist, hat erwähntes Fürstliche Ambt Altenburg behörige Vormünder bestätigt und der witben das Guth uf 8 Jahre bis Johannis 1678 indes pro 60 rf verpachtet. Nach verfließung aber derselben, und den Andreas Petzold jun. sein zwanzigstes Jahr erreicht , demselben solch sein Väterliches Guth Nirkendorf vor 1000 rf des Vaters hinterlassene Disposition nach, in Lehn gereicht. ... Actur Fuchshayn, den 6.Marty 1680“. Anno 1679, lt. Protokoll Bl.18b Nr. 139 vom 7. Juli hatte Andreas Petzold allhier von seiner Mutter und Geschwistern das väterliche Pferdefrongut für etwa 1000 Gulden erkauft. Anno 1718, lt. Protokoll Bl. 144 Nr. 168 vom 16. Juli kaufte Jacob Petzold seines Vaters Andreas Petzold hinterlassenes Gut für 1300 Gulden von seiner Mutter und den Geschwistern. Am 20. September 1755 kauft Jacob der jüngere von seinem Vater das Anspannergut für 2500 fl. und 1756 kaufte er noch das Pferdefrongut von Hannß Gabler in Nirkendorf (jetziges Gut Eckebrecht) und vereinigte es mit seinem Pferdefrongut. Dieses Gut (Konto 5) ist zwischen 1756 und 1770 mit dem Gut (Konto 1) verschmolzen in einer Ehrenhainer Lehn und wurde erst 1856 wieder separiert. Außerdem erwarb Jacob eine beschränkte Schankgerechtigkeit laut Conzessions-Urkunde vom 8.Januar 1756. Diese ruhte auf dem auch für alle späteren Descantenbesitzern (Nachfolgende Besitzer). Der nachfolgende Besitzer ist der Sohn Jacobs, Michael Petzold. Er übernahm es von seinem Vater am 17. Juli 1788. Michael war in Ehrenhain eine anerkannte Persönlichkeit. Links vor dem Eingang zur Kirche in Ehrenhain steht noch ein Grabstein mit der Inschrift

Hier ruhen
Michael Petzold Bauer und Anspanner und auch Kirchenvorsteher aus Nirkendorf geb. den 16. Sept. 1770, gest. 17.Dez. 1843 Frau Sophie Petzold geborene Lichtenstein aus Garbus geb. 28. May 1776, gest. 8. März 1834 Ihre glückliche Ehe welche 34 Jahre und 11 Monate gewährt hat, wurde mit 12 Kindern, 28 Enkeln und 17 Urenkeln von Gott gesegnet

Als letzter Petzold übernahm der Sohn Michaels, Johann Petzold das Anspanngut. Er kaufte das Anspanngut von seinem Vater für 3000 Gulden. Laut Eintragung in dem Grund- und Hypothekenbuch für Nirkendorf erhielt Johann Petzold am 14. Juli 1835 vom Gericht Ehrenhain den Kauf- und Lehnschein und am 15. Juli 1835 vom Kreisamt Altenburg die Confirmations- und Beleihungsurkunde. Der Flächengehalt des Anspanngutes betrug 53 Acker und 187 �Ruthen. Johann Petzold erhielt auch nach nochmaligen Gesuchen, die bereits vormals schon sein Vater eingeleitet hatte, die uneingeschränkte Schankberechtigung. Die Erlaubnis wurde am 12. Juli 1845 von der herzoglichen Landesregierung erteilt. Damit entstand der Nirkendorfer Gasthof, der dann später sogar mit einem Saal ausgestattet war. Am 26. August 1865 schloss der Gutsbesitzer und Schenkwirt Johannes Petzold, als Verkäufer mit dem Ökonomen Hermann Schönfeld aus Untschen als Käufer einen Kaufvertrag ab und verkaufte das Anspanngut einschließlich Gasthof für Zweiunddreißig Tausend Taler in Silbercorent. Damit war die Petzold-Ära in Nirkendorf erloschen. Der Guts- und Gasthofbesitzer Hermann Schönfeld verkaufte dann 22.12.1897 das Gut und den Gasthof an seinen Sohn, dem Wirtschaftsgehilfen Oskar Julius Schönfeld für 105 000 Mark. Der nächste Besitzer war der Ökonom Bruno Oswin Götze lt. Eintrag im Flurbuch Nirkendorf vom 1. September 1905. Bruno Oswin Götze begeht am 1. Juni 1916 Selbstmord. In einer Zeitungsmeldung kann man nachlesen: „Ehrenhain, den 1. VI.1916. Der am 11. Januar 1876 in Nobitz geborene Gutsbesitzer, jetzt Soldat Oswin Götze, Kanonier 4. Ersatz- Batallion Mansfeld, Feld Artillerie Reg. No. 75 in Halle, hat sich am 1. Juni 1916 vorm. gegen 11.oo Uhr auf dem Getreideboden seines Wohnhauses in Nirkendorf durch Erhängen entleibt. Die polizeiliche Aufhebung der Leiche ist erfolgt. Grund des Selbstmordes war nicht zu ermitteln. Tennig. Gend.-Hauptwachtmeister.“ Dies hatte die Familie veranlasst, das Gut zu verkaufen. Käufer war der legendäre Julius Friedrich Carl Müller aus Altenburg, bekannt unter den Namen „Der Inselmüller“. Er kaufte das Gut, am19.Juli 1916. In der Landeszeitung war zu lesen: „Der Gutshof und Gastwirtschaft des verstorbenen Herrn Götze ging käuflich für 115 000 Mark an Herrn Kaufmann Müller in Altenburg über. Der neue Besitzer läßt in den Besitztum, das etwa 50 Morgen Ackerland umfasst, viel Veränderungen und Erneuerungen vornehmen, um aus dem Gut eine Musterwirtschaft zu machen“. Folgender Eintragung steht im Flurbuch von Nirkendorf. Müller, Julius Friedrich Carl ,Kaufmann u. herzl. Hoftraiteur lt. Eintrag vom 23.10. 1916. 1920 übergab er seinen Sohn Friedrich, der eine landwirtschaftliche Ausbildung hatte, das Gut. Während des Krieges arbeiteten auf dem Hof u. a. auch französische Kriegsgefangene. Mit einem dieser Gefangenen bahnte sich ein gefährliches Verhältnis mit der Enkeltochter des Inselmüllers an. Ungeachtet aller Gefahren und Schwierigkeiten - zwei Wachtposten, Polizeistelle, Mietsleute und Evakuierte auf dem Gut - ließen sie sich nicht beirren. Auf diesen Fall drohte glatt geschorene Haare und KZ. Es verlief aber alles gut. Sie heiratete nach dem Krieg ihren Jean Noirit in Paris und beide wurden glücklich. Erst 1960, als sie zu Besuch in ihrem geliebten Nirkendorf war, erfuhr sie, dass man sie damals mehrmals beim Bürgermeister angezeigt habe. Aber der gute Bürgermeister Guido Cramer ließ die Sache unter den Tisch fallen und hat nichts unternommen. Das Familiengut der Müllers ging 1946 durch Enteignung verloren. Böse Zungen behaupteten, die eigene Verwandtschaft hätte den Friedrich Müller verzinkt, weil er Mitglied der NSDAP war. Das Land wurde im Rahmen der Bodenreform unter mehreren Neubauern aufgeteilt. Mit der Gründung der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften hat dann der Hof nur noch wenig Bedeutung und wurde nur als Wohnstatt etlicher Familien genutzt. Er verfiel immer mehr und ein Gebäude nach dem anderen wurde abgerissen. Gegenwärtig steht von dem geschichtsträchtigen, über 500jährigen Anspannergut nur noch das Wohnhaus.

Heinz Trebus