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Die Wollschmidts von Kotteritz

Seit 1870 wurden Adreßbücher besonders in industriell entwickelten Städten herausgegeben. Sie dienten vorrangig regionalen ökonomischen Zwecken, mußten deshalb ständig aktuell sein und erschienen in der Regel aller 4 Jahre. Ihren Ursprung haben sie in den Adreßkalendern, einer vor allem im 18. Jahrhundert in Deutschland weitverbreiteten Gattung. Adreßbücher sind außerdem wichtige zeitgenössische Dokumente und gehören deshalb zu den unentbehrlichen Hilfsmitteln der neueren Personen- und Familiengeschichtlichen Forschung. Es kann deshalb nicht hoch genug bewertet werden, daß es nun wieder Adreßbücher von Altenburg gibt. Mancher wird beim Durchblättern sich wieder gefunden und dabei festgestellt haben, daß es u. U. viele Träger des gleichen Namens gibt. So zählt in unserer Stadt Schmid/Schmidt zu den häufigsten Familiennamen. Zu den bekanntesten Namensträgern gehörten in der jüngsten Vergangenheit die „Wollschmidts“ mit ihrer Fabrik in Kotteritz. Dieses Geschlecht Schmidt stammt aus der Gegend von Sachsenberg/Frankenberg bei Chemnitz, wo es in der Mitte des 17. Jahrhunderts zuerst urkundlich nachweisbar ist. Die Erben eines Hans Schmidt in Sachsenburg verkauften am 14. 6. 1652 dort ihr Anwesen und wanderten nach Waldheim ab. Von dort kam Johann Christoph Schmidt 1720 als Tuchscherer nach Altenburg. Die Tuchscherer erhielten früher die vom Weber gewobenen Tuche nach der Walke sauber gewaschen und spannten sie in feuchten Zustand in einen Rahmen. Beim Walken wurden die Tuche vorher in warmen Wasser und Lauge gestampft, wodurch das Gewebe verfilzte und eine höhere Festigkeit erhielt. Dieser Prozeß erfolgte in der Regel in den Walkmühlen. Nach dem Trocknen der aufgespannten Tuche rauhte der Tuchscherer mit dem sogenannten Distelkarden das Tuch erneut auf und entfernte mit der Tuchschere die überstehenden Fäden der Tuche, welche anschließend die Schneider erhielten. Aus dem Gewerbe dieses Johann Christoph Schmidt entwickelte sich in der Familie die Kammgarnspinnerei „J. G. Schmidt jun. Söhne AG“ in Kotteritz. Das Unternehmen schien gut zu laufen, denn anlässlich des 50jährigen des Bestehens der Firma gründeten sie am 4. Mai 1879 die Schmidtsche Stiftung mit einem Kapital von 3000 Mark, von dessen Zinsen befähigten Kindern unbemittelter Einwohner, die in Altenburg heimatberechtigt waren, der Besuch einer höheren Schulanstalt in hiesiger Stadt ermöglicht werden sollte. Vor dem 1. Weltkrieg muss es der Firma besonders gut ergangen sein. Im Altenburger Adressbuch von 1914 können wir dem Verzeichnis der Nummern und Besitzer von Kraftfahrzeugen im Herzogtum Sachsen-Altenburg entnehmen, dass für 185 Fahrzeuge die Nummern SA 1 bis SA 185 vergeben wurden. Davon besaß die Familie fünf Fahrzeuge u. a.: SA 4 für Schmidt, Theodor, Fabrikbesitzer Agnesplatz 2. Also gehörten die Schmidts auch zu den ersten Fahrzeugbesitzern in Altenburg. Der Herzog als Landesvater besaß 1914 drei Fahrzeuge, genau so viel wie die Altenburger Aktienbrauerei und die Rositzer Zuckerraffinerie besaß immerhin auch schon zwei Kraftfahrzeuge. Als Chauffeur diente bei den Schmidts zu dieser Zeit Paul Hummel, eine Familie, die heute noch in Altenburg nachweisbar ist. Die beiden Fabrikbesitzerfamilien Theodor und Alfred Schmidt wohnten 1914 in der Villa Agnesplatz 2. Der Agnesplatz wurde 1869 auf dem zum Teil zugeschütteten Pauritzer Teich und dem Gelände der 1864 abgebrochenen Kupfermühle angelegt. Durch die dabei mit entstandene kleine Parkanlage wurde er zu einem bevorzugtem Wohngebiet. Seinen Namen hat er öfters gewechselt: Nach 1918 Rathenauplatz, später Straßburger Platz und Ernst Thälmann Platz, heute - historisch zu Recht - Pauritzer Platz. Der Vater der Brüder Theodor und Alfred, der Fabrikbesitzer Bernhard Schmidt, kaufte 1878 von der fürstlichen Kammer das Schloß in Ehrenberg (erbaut 1694-1701). Den Erwerb des Ehrenberger Schlosses nahmen die Schmidts später zum Anlaß einer Namensänderung. Durch Verfügung des thüringischen Justizministeriums durfte die Familie ab 1931 den Doppelnamen Schmidt-Ehrenberg führen. Dabei legten sich die Schmidt-Ehrenbergs auch ein Familienwappen zu.Übrigens ist heute das Führen von Familienwappen kein besonderes Privileg mehr, jeder kann sich nach dem neuen Familiengesetz ein Wappen zulegen und registrieren lassen.

Karlheinz Weidenbruch